Schwarzspecht – Zimmermann der Artenvielfalt

Folgeuntersuchung zum Häuslebau im Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Schwarzspecht
Der Schwarzspecht ist der Zimmermann im Ökosystem Wald. Seine Großhöhlen nutzen über 50 weitere Tier- und Insektenarten als „Nachmieter“. Neben vielen Vögeln wie Hohltaube, Dohle und Rauhfußkauz sind Arten wie Baummarder, Haselmaus und Siebenschläfer, Bienen oder Holzkäfer in den Höhlen anzutreffen. Damit ist der Schwarzspecht eine Schlüsselart für das Ökosystem Wald und trägt entscheidend zur Artenvielfalt in den Wäldern bei. Artenschutz für den Schwarzspecht reicht daher über die Ziele des Schutzes für eine Art hinaus.

Der Schwarzspecht

Alte Bäume, prachtvolle Käfer, nachtaktive Eulen und Fledermäuse gehören zur Welt des Schwarzspechts. Europas größte Spechtart ist fast so groß wie eine Krähe und bevorzugt für den Bau seiner Bruthöhle alte Rotbuchen. Schwarzspecht-Höhlen sind langlebige, über viele Jahrzehnte nutzbare Brut- und Wohnstätten, Tagesverstecke und Überwinterungsquartier für viele Vogel- und Säugetierarten, von denen viele auf der Roten Liste gefährdeter Tierarten stehen. Ohne den Schwarzspecht als Zimmermann besonders geräumiger Baumhöhlen wären alle diese Arten „obdachlos“. Daneben sind seine Höhlen Entwicklungsraum und Nährsubstrat für Baumpilze, Bockkäferarten und xylobionte Insekten. Die Zahl der in einem Gebiet vorhandenen Höhlenbäume ist somit von entscheidender Bedeutung für die Biodiversität in unseren Wäldern.

Bäume mit dicken Stämmen sind von Schwarzspecht und Holzindustrie jedoch gleichermaßen gefragt. Rotbuchen, die bis zu 350 Jahre alt werden können, werden im Wirtschaftswald spätestens nach 140 Jahren genutzt. Der Neubau von Schwarzspecht-Höhlen erfolgt dagegen selten: Im Durchschnitt entsteht in einem Schwarzspecht-Revier nur etwa alle fünf Jahre eine neue Höhle. Auf eine Fläche von 10 km² ergibt sich somit eine Neubaurate von weniger als einem Höhlenbaum pro Jahr. Die Folgen: Es mangelt an für den Höhlenbau geeigneten Bäumen. Das gefährdet die Artenvielfalt im Wald. Die Siedlungsdichte des Schwarzspechts und seiner Folgenutzer kann als Hinweis für eine günstige Waldstruktur und naturschutzkonformer Waldbewirtschaftung gewertet werden.

Zustand, Entwicklung und Bewohner von Schwarzspechthöhlen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Das Projekt

In den Jahren 2005/06 und 2008/09 wurden in den Wäldern des Biosphärengebiets Schwäbische Alb 282 Schwarzspecht-Höhlenbäume kartiert, mit GPS erfasst und dauerhaft markiert. Eine erneute Belegungskontrolle der Schwarzspecht-Höhlen im Frühjahr 2016 sollte nicht nur einen Überblick über die Bestandssituation des Schwarzspechts liefern, sondern für eine Reihe weiterer Vogel- und Säugetierarten, die in ihrem Bestand zum Teil gefährdet sind. Das Untersuchungsgebiet erstreckt sich auf rund 18.000 ha Waldfläche in den Pflegezonen des Biosphärengebiets Schwäbische Alb.

schwarzspecht-hoehlen-projekt

Alle 282 Höhlenbäume wurden im Frühjahr 2016 erneut aufgesucht und mit Blick auf ihren Zustand, ihre Lage im umgebenden Bestand und vor allem auf die Art des Mieters begutachtet. Im Fokus standen besonders die Entwicklung und der Baufortschritt der vor knapp 10 Jahren kartierten Anschlagbäume und Höhlenbaustellen. Der Zeitraum der Untersuchung wurde so gewählt, dass mit Beginn der Brutsaison alle Höhlen-brütenden Arten erfasst werden konnten. Erster Schritt bei der Höhleninspektion war eine eingehende Begutachtung des Flugloches mit dem Fernglas bzw. 30-fach vergrößerndem Spektiv vom Boden aus. Bei einem entsprechend aussehenden Flugloch erfolgte eine sogenannte Kratzprobe am Stamm, um Bewohner wie Hohltaube oder Rauhfußkauz zu einem Blick aus der Höhle zu reizen und dadurch eine Möglichkeit zur Artbestimmung zu bekommen. War die Kratzprobe nicht erfolgreich, wurde der Höhlenbaum baumschonend erklettert und die Höhle Vis-à-vis kontrolliert.

Wohnraum für Insekten, Bilche und Vögel

Ergebnisse

Als eigentlicher Höhlenbauer ist der Schwarzspecht mit elf belegten Höhlenbäumen (5 %) eher unterdurchschnittlich in den Höhlen des Untersuchungsgebietes vertreten. Häufigster Nachnutzer der Schwarzspecht-Höhlen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist die Hohltaube. Sie brütete in 82 Höhlenbäumen, teilweise als direkter Nachfolger in Höhlen, in denen zuvor Dohlen oder Schwarzspechte gebrütet hatten. Festgestellt wurden bei den Kontrollen insgesamt 21 Doppelbelegungen von Hohltauben mit Dohlen, Schwarzspechten, Bienen und Siebenschläfern. Zweithäufigster Großhöhlenbrüter im Biosphärengebiet ist nach der Hohltaube die Dohle. Die Art konnte in 22 Höhlenbäumen festgestellt werden.

In Urwäldern ist es ebenso wie in Wirtschaftswäldern völlig normal, dass Höhlenbäume abgehen und unbrauchbar werden. In den letzten zehn Jahren sind in der Pflegezone des Biosphärengebietes Schwäbische Alb 24 Höhlenbäume durch Sturmereignisse unbrauchbar geworden. Nicht erwartet und damit neu ist jedoch das Ausmaß, wie viele Höhlenbäume in relativ kurzer Zeit von Schwarzspechten nicht mehr angeflogen und die Höhleneingänge nicht mehr offen gehalten werden, da sie von zunehmend hoher Baumverjüngung umgeben sind. Schwarzspechte meiden die in hoher Verjüngung stehenden Höhlenbäume, weil sie hier sehr leicht vom Habicht geschlagen werden können. Ein am Einflugloch sitzender Schwarzspecht hat bei einem überraschenden Angriff nur dann eine Möglichkeit zu entkommen, wenn er sich blitzschnell nach unten fallen lässt und dann in schnellem Zick-zack-Flug zwischen den Baumstämmen flieht. Das Fallen-lassen verschafft dem Schwarzspecht den entscheidenden Vorteil für eine erfolgreiche Flucht. Wird er daran von dichter und hoher Verjüngung behindert, hat er keine Chance zu entkommen. Solche Wälder werden von Schwarzspechten folgerichtig beim Häuslebau gemieden. Langfristig müsste das Lebensalter der Bäume in den Buchenwäldern steigen und die Verjüngung sollte kleinflächig und vor allem nicht zu früh eingeleitet werden. Für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb wäre eine naturverträgliche Waldbewirtschaftung anzustreben, die sich an den Walderneuerungsprozessen der Buchen-Urwälder orientiert. Lange nutzbare Höhlenbäume für Großhöhlenbrüter wären die Folge.

Frühere Veröffentlichungen

Die Deutsche Wildtier Stiftung hat zwischen den Jahren 2005 und 2008 in einem gemeinsamen Projekt mit dem Naturpark Nossentiner/ Schwinzer Heide eine Broschüre zum praktischen Schutz von Schwarzspechten veröffentlicht. Neben Daten und Fakten zum „Zimmermann des Waldes“ bietet die Broschüre Empfehlungen für den Waldbau und eine Anleitung zur Höhlenbaumsuche. Hinweise auf die verschiedenen Rechtsvorschriften und Vorgaben der Zertifizierungsstandarts helfen, um den Schutz des Schwarzspechtes und der Nachnutzer seiner Höhlen zu verbessern. Mit den Tipps zu Fördermöglichkeiten durch Vertragsnaturschutz können besondere Leistungen von Waldbesitzern honoriert werden.

Folgeuntersuchung von Schwarzspecht-Höhlenbäumen im Biosphärengebiet Schwäbische Alb, 1,5 MB
Der Schwarzspecht und seine Höhlen 2008, 2 MB
Empfehlungen für die Forstwirtschaft 2008, 1 MB

Ansprechperson

Leiter Natur- und Artenschutz

Dr. Andreas Kinser

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Forschungspreis

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