Habecks Klimastrategie bedroht heimische Wildtiere
Ein schneller Ausbau Erneuerbarer Energien muss sein – aber nicht auf Kosten der Wildtiere
Zwei Prozent der Bundesfläche für Windräder nutzen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien als überragendes öffentliches Interesse gesetzlich verankern: Diese erklärten Ziele von Robert Habeck, dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, werden zu Kollisionen mit dem Artenschutz führen. „Im Einzelfall gibt es diese negative Beeinträchtigung. Aber man kann Artenschutz und den Ausbau von Erneuerbaren Energien sehr gut miteinander kombinieren, wenn man ein bisschen kreativ wird und anfängt, die technischen Möglichkeiten, aber auch die artenschutzrechtlichen Möglichkeiten zu nutzen“, sagte Habeck der ARD.
Ein rasches Tempo beim Ausbau Erneuerbarer Energien muss sein – das sieht auch Professor Klaus Hackländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wildtier Stiftung, so. „Wir stellen uns nicht gegen Windkraft oder Erneuerbare Energien“, macht der Wildtierbiologe deutlich. „Wir sind uns auch sehr bewusst darüber, dass die Errichtung von Windkrafträdern durch langwierige Genehmigungsverfahren zum Teil untragbar lange dauern kann und bedrohte Wildtiere manchmal als Vorwand genutzt werden, um den Bau einer Windkraftanlage zu verhindern. Dennoch: „In vielen Fällen sind gefährdete Arten tatsächlich ein ernstzunehmendes Argument, um von der Errichtung von Windenergieanlagen abzusehen“, so Hackländer. Ein Vorantreiben der Energiewende darf seiner Ansicht nach nicht gleichzeitig das Artensterben beschleunigen. Denn ist eine Art erst einmal ausgestorben, ist sie unwiederbringlich verloren. „Für besonders bedrohte Wildtierarten bedeuten die Verluste zudem empfindliche Einbußen, die der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung widersprechen“, erklärt Hackländer.
Allein in Deutschland fallen jedes Jahr rund 250.000 Fledermäuse und Tausende Greifvögel den Windenergieanlagen zum Opfer. Zu den besonders gefährdeten Arten zählen etwa der Große Abendsegler – eine Fledermausart – und eine Vielzahl von Greifvögeln wie Rotmilan, Schrei-, See- und Steinadler oder der seltene Schwarzstorch. Dies belegt eine Studie des renommierten Biologen Dr. Klaus Richarz aus dem Jahr 2021, die die Deutsche Wildtier Stiftung in Auftrag gegeben hatte. Der seltene Rotmilan führt zusammen mit dem nicht gefährdeten Mäusebussard die Liste der an Windenergieanlagen getöteten Vögel an. In Brandenburg haben die Verluste durch die Windkraft bereits populationsgefährdende Ausmaße erreicht.
Studie zum Downloaden
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Windenergie im Lebensraum Wald
Gefahr für die Artenvielfalt - Situation und Handlungsbedarf
Autor: Dr. Klaus Richarz
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Um die Biodiversität zu erhalten, fordert die Deutsche Wildtier Stiftung, beim Ausbau der Windkraft auf Anlagen in Schutzzonen rund um Horststandorte, im Wald und in der Nähe von Naturschutzgebieten zu verzichten. „Die Behauptung Habecks, dass die Wildtiere auf den verbleibenden 98 Prozent der Fläche genug Platz haben, ist angesichts der immer rasant fortschreitenden Versiegelung der Böden, der Intensivierung der Landnutzung und der Zerschneidung durch Infrastruktur schlicht falsch“, so Hackländer. „Dass wir heute wieder so viele Seeadler im Norden beobachten können, liegt auch daran, dass um jeden Seeadlerhorst eine Schutzzone errichtet wurde. Wir haben also nicht so viele Seeadler, obwohl die Windkraft ausgebaut wurde, sondern weil beim Ausbau insbesondere auf die empfindlichen Seeadlerhorste Rücksicht genommen wurde.“
Auch Solarenergie bedeutet für Wildtiere eine potenzielle Gefahr. Bei ihr ist die Nutzung von Dachflächen sicherlich dem Neubau von Solarparks auf landwirtschaftlichen Flächen vorzuziehen. Umzäunte Solarparks halten zwar Fressfeinde der Bodenbrüter fern und können zum Beispiel für Rebhühner den Bruterfolg erhöhen. Aber ein nachhaltiger Artenschutz darf nicht von Maschendrahtzäunen abhängig sein. „Unsere Landschaft hat schon zu viele physische Barrieren für Wildtiere, die deren Lebensräume fragmentieren und nachgewiesenermaßen den genetischen Austausch von Populationen behindern“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Stiftung.
Neun Forderungen der Deutschen Wildtier Stiftung zur Berücksichtigung des Arten- und Naturschutzes bei der Nutzung der Windkraft
Wälder und Waldränder sind unverzichtbare Lebensräume für Wildtiere in unserer ohnehin intensiv genutzten Kulturlandschaft. Sie sind aus Gründen des Arten- und Naturschutzes frei von Windenergieanlagen zu halten.
In Nationalparks, Naturschutzgebieten, Kernzonen von Biosphärenreservaten, gesetzlich geschützten Biotopen, Natura 2000 und IBA Gebieten sind keine Windenergieanlagen zu bauen. In diesen Schutzgebieten und deren Pufferzonen muss der Artenschutz Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben.
Die im „Helgoländer Papier“ veröffentlichten aktuellen Empfehlungen der Staatlichen Vogelschutzwarten zu Abstandsregelungen zwischen Brutplätzen sowie anderen bedeutsamen Vogellebensräumen und Windenergieanlagen müssen in ganz Deutschland konsequent beachtet und einheitlich umgesetzt werden.
Die Brutstandorte u.a. von Greifvögeln, Störchen oder Kranichen müssen langfristig und länderübergreifend einheitlich geschützt werden. Wurden Horstbäume mutwillig zerstört, muss der Brutbereich auf der Grundlage des Helgoländer Papieres trotzdem dauerhaft eine Tabuzone für Windenergieanlagen bleiben.
In allen bestehenden Windparks sind Maßnahmen zur Reduktion von Vogelkollisionen und Fledermausverlusten umzusetzen. Kumulative Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse in Regionen mit bereits hoher Windparkdichte müssen bei Planung und Genehmigung von neuen Windenergieanlagen berücksichtigt werden.
Die Betreiber von Windenergieanlagen müssen sicherstellen, dass naturschutzfachliche Ziele der Windenergienutzung nicht entgegenstehen. Es gilt das Vorsorgeprinzip: im Zweifel für den Natur- und Artenschutz. Ein bau- und betriebsbegleitendes Monitoring muss für den Anlagenbetreiber verpflichtend sein.
Das grundsätzlich bestehende Verbot des Bauens im Außenbereich wurde Windenergieanlagen durch den § 35 Baugesetzbuch durchbrochen. Dieses Privileg für den Bau von Windenergieanlagen ist abzuschaffen.
Nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz ist es u.a. verboten, wildlebende Tiere der besonders geschützten Arten zu töten. Für Windkraftanlagen sind keine Ausnahmegenehmigungen vom Tötungsverbot mehr zu erteilen.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine bundesweit gültige Verwaltungsvorschrift „TA Wind“ vorzulegen. In dieser technischen Anleitung zum Bau und Betrieb von Windenergieanlagen sind bundesweit einheitliche Standards zur Berücksichtigung des Arten- und Naturschutzes festzulegen.