Europäische Natur-Bilanz: Artensterben in der Agrarlandschaft

Dabei wäre eine erfolgreiche Naturschutzarbeit möglich

Ausgeräumte Landschaften bieten keinen Raum für Insekten und Co. Mit mehr als 50 Helfern wurde auf den Flächen eines lokalen Landwirtes in Niedersachsen eine Niederhecke für die Artenvielfalt gepflanzt. PARTRIDGE, ein Projekt der Georg-August-Universität Göttingen, unterstützt die Aktion - und wir unterstützen Partridge.  Foto: E. Gottschalk / PARTRIDGE
Alle sechs Jahre nehmen Bund und Länder eine Bewertung des Zustands der Natur in Deutschland vor. Gut sieht es dabei nicht aus, manche Einschätzungen sind sogar niederschmetternd. Vor allem der drastisch schwindende Lebensraum für Insekten, Vögel und andere Wildtiere ist ein Problem. Dabei wäre eine erfolgreiche Naturschutzarbeit schon mit wenigen Maßnahmen möglich, sagt Professor Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Er fordert die „Magische 7“ für eine Trendwende.

„Wenn sich Europas Biodiversität erholen soll, muss gehandelt werden“, sagt Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, angesichts des aktuellen EU-Berichtes über den Zustand der Natur in Europa. „Der Druck, dem viele Arten ausgesetzt sind, ist immens – die Folgen dramatisch.“ Der Rückgang der Arten hängt zwar auch mit dem Klimawandel zusammen, ist aber vor allem auf die anhaltende Intensivierung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen zurückzuführen. Das führt schließlich zu drastischen Eingriffen in die Lebensräume von Wildtieren. „Dabei sind Erfolge im Naturschutz schon mit wenigen Maßnahmen möglich. „Wenn wir sieben Prozent der genutzten Fläche als unproduktive Fläche einfach der Natur überlassen, bedeutet das für die Artenvielfalt eine überaus positive Trendwende“, betont Prof. Dr. Hackländer. Die „Magische 7“ ist ein wissenschaftlich belegter Weg, um dem fortschreitenden Artensterben die Dynamik zu nehmen. „Bleiben sieben Prozent der genutzten Fläche unbeackert, hat die Natur ein Mindestmaß an Chancen – Insekten, Vögel und Säugetiere finden Nahrungsplätze und Brutgebiete. Wildtiere gewinnen mit der Magischen Sieben Lebensraum“, sagt Prof. Dr. Hackländer.
Wie notwendig zum Beispiel Brachflächen in der Agrarlandschaft sind, zeigt das „Gesundheitszeugnis“ der EU über den Erhaltungszustand von geschützten Arten und Lebensräumen in Europa. Alle sechs Jahre geben die Mitgliedsstaaten der Europäischen Kommission eine Art Zustandsbericht der Natur auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet ab. Dieser Zustandsbericht wird von der EU Kommission erfasst und zusammengeführt. Die Negativ-Hitliste der Belastungen für geschützte Lebensräume, Pflanzen und Tiere wird von der Landwirtschaft angeführt. „Und gerade an diesem Punkt kann die Magische Sieben für den wilden Patienten heilsam sein“, sagt Hackländer. „Denn durch die Intensivierung in der Landwirtschaft sind mehr als ein Fünftel aller geschützten Arten und Lebensräume betroffen.“
Natürlich führen neben der Landwirtschaft auch die Flächenversiegelung und die nicht nachhaltige Forstwirtschaft zum Artenverlust in der Kulturlandschaft. Im Bericht aus Deutschland (Stand 2020) weist das Bundesamt für Naturschutz daraufhin, dass 63 Prozent aller nach EU-Recht geschützten Arten und 69 Prozent der entsprechenden Lebensräume unter Druck stehen. Insbesondere Wiesen und Weiden, aber auch Seen und Flüsse sowie Küsten sind am stärksten betroffen. Ist die Situation für eine gefährdete Tierart besonders prekär, dann wird dieser ein „schlechter Erhaltungszustand“ attestiert. In Deutschland ist dies zum Beispiel bei Feldhamster, Wimpernfledermaus, Sumpfschildkröte, Moorfrosch, Äsche oder Edelkrebs der Fall. „Wir brauchen neben anderen Maßnahmen mehr Renaturierungsprogramme, ein Umdenken in der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft, damit die Biologische Vielfalt in der Kulturlandschaft Europas eine Überlebenschance hat“, fordert der Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung. Aktuell hängt das Schicksal der Wildtiere in Deutschland insbesondere von den Verhandlungen zur Neuausrichtung der Europäischen Agrarpolitik ab. Denn dort wird gerade diskutiert, wieviel Prozent der Fläche als ungenutzt den Wildtieren zur Verfügung gestellt wird.
Auch die Weltnaturschutzunion IUCN ist davon überzeugt, dass sich die Erhaltung der Biodiversität und deren Nutzung nicht ausschließen. Die Deutsche Wildtier Stiftung arbeitet daher neben dem Schutz natürlicher Lebensräume auch an einer wildtierfreundlichen Bewirtschaftung der Kulturlandschaft. „Naturschutz darf sich nicht nur auf kleine Paradiese inmitten einer ausgeräumten Landschaft beziehen, sondern muss in die Fläche!“, so Hackländer. Dann bewirkt die "Magische 7" wahre Wunder.

Quelle: Die Lage der Natur in Deutschland / Ergebnisse von EU-Vogelschutz- und FFH-Bericht, BfN

Zum Foto: Ausgeräumte Landschaften bieten keinen Raum für Insekten und Co. Mit mehr als 50 Helfern wurde auf den Flächen eines lokalen Landwirtes in Niedersachsen eine Niederhecke für die Artenvielfalt gepflanzt. PARTRIDGE, ein Projekt der Georg-August-Universität Göttingen, unterstützt die Aktion - und die Deutsche Wildtier Stiftung unterstützt PARTRIDGE. Foto: E. Gottschalk / PARTRIDGE

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