Die Hecke: Wichtiger Lebensraum für seltene Wildtiere

Interview mit Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif über die Bedeutung von Hecken für den Naturschutz

Blühende Hecke
Die Deutsche Wildtier Stiftung pflanzt insgesamt 1.960 Meter Hecke auf ihren Naturerbeflächen in Schwichtenberg und Hornshagen. So sollen wichtige Rückzugsorte für gefährdete Wildtierarten wie etwa den Feldhasen (Lepus europaeus) und die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) entstehen. Sebastian Brackhane, Referent für Flächenmanagement bei der Deutschen Wildtier Stiftung, sprach mit dem Freiburger Vegetationskundler und Heckenexperten Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif über die Bedeutung von Hecken für den Naturschutz.

Wo haben Hecken ihren Ursprung?

Das Wort Hecke hat seinen Ursprung im althochdeutschen Hegga, was so viel wie einhegen oder umzäunen bedeutet. Die frühen Hecken dienten also vor allem dazu, das auf den gemeinschaftlich genutzten Allmendeflächen weidende Vieh von den Gärten, Ackerflächen und Mähwiesen der Bauern fernzuhalten. Das Wort Hag oder niederdeutsch Hagen beschreibt ein eingehegtes Gelände und lässt sich noch heute in vielen Ortsnamen finden.

Das Wort Hag oder niederdeutsch Hagen beschreibt ein eingehegtes Gelände

Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif

Gab es noch andere Gründe für die Anlage von Hecken?

Es gab z. B. auch militärische Gründe. Schon Caesar berichtet von den am Niederrhein siedelnden Nerviern, die zum Schutz gegen feindliche Reiter Dornhecken anlegten. Um eine dichte grüne Wand zu schaffen, wurden Zweige, Äste und junge Bäume seitwärts auf den Boden geknickt. Eine frühe Form der sogenannten Knicks entstand, die später vor allem in Norddeutschland bis in das 20. Jahrhundert bei der Heckenanlage Anwendung fand. Hecken waren im Mittelalter auch ein fester Bestandteil von Grenzbefestigungen und der Landwehr, einem Verteidigungsring aus Gräben und Wällen, die mit Dornhecken bepflanzt wurden, um Siedlungen zu schützen. Auch das spiegelt sich heute noch in vielen Straßennamen wider. Daneben hatten Hecken noch viele andere Funktionen: Sie dienten als Brennholzlieferant und als Bienenweide. Außerdem verwendete man die Früchte von Schlehe, Weißdorn und Wildrosen (Hagebutten) als Heilpflanzen und nutzte das Laub der Hecke für die Fütterung des Viehs.

Warum sind Hecken heutzutage noch wichtig?

Hecken spielen mittlerweile eine wichtige Rolle beim Schutz der Artenvielfalt, da viele Arten aus unserer ausgeräumten Kulturlandschaft mit ihrer intensiven Nutzung verschwunden sind, jedoch in Hecken Lebensraum finden. Auch bezüglich der Landschaftsästhetik sind Hecken für viele Regionen prägend geworden, wie z. B. in den Parklandschaften des Münsterlandes, den Knicks Schleswig-Holsteins, den Buchenhecken im Monschauer Heckenland oder den Heckenlandschaften der Kalkgebiete Mittel- und Süddeutschlands. In den Grünlandgebieten der süddeutschen Berglagen prägen Hecken das Landschaftsbild und gewähren dem Vieh Unterstand. Beispiele hierfür sind der Bayerische Wald oder die Haglandschaften Oberbayerns. In Dänemark, den USA oder auch Neuseeland werden Hecken noch heute als Windschutz angelegt, um das Pflanzenwachstum zu verbessern oder Bodenerosion zu verhindern.

Für welche Wildtiere bieten Hecken denn einen Lebensraum?

Da gibt es eine Vielzahl von Arten. Niederwild wie Hasen, Rehe und Rebhühner nutzen Hecken als Unterschlupf. Hecken sind der Lebensraum verschiedenster Insekten, Käfer, Würmer, Spinnen und Nacktschnecken. Diese dienen wiederum einer Reihe von Säugetieren und Vögeln wie dem Neuntöter als Nahrungsgrundlage. Dornengebüsche bieten effektiven Schutz vor Fressfeinden und werden deshalb von Vogelarten wie der Dorngrasmücke und dem Gelbspötter als Brutplatz genutzt. Auch die gefährdete Haselmaus baut ihr Nest am Boden unter Haselnuss-, Weißdorn- und Brombeersträuchern, die ihr nicht nur Schutz, sondern auch ein reichhaltiges Nahrungsangebot bieten.

Die gefährdete Haselmaus baut ihr Nest am Boden unter Haselnuss-, Weißdorn- und Brombeersträuchern

Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif

Die Hecke - ein wichtiger Rückzugsort für viele Wildtiere

Die Deutsche Wildtier Stiftung pflanzt auf ihren Naturerbeflächen in Schwichtenberg und Hornshagen insgesamt 6 Hecken mit einer Gesamtlänge von 1.960 Meter. Über 6.000 heimische Pflanzen wurden für die Neuanlage der Hecken angeschafft, darunter Gehölze wie Wildrosen, Schlehen, der Gemeine Schneeball, die Hasel und das Pfaffenhütchen.

Das Insektensterben hat in diesem Jahr die Schlagzeilen bestimmt. Profitieren auch Wildbiene und Co. von Hecken?

Durchaus. Hecken, die sowohl frühblühende Gehölzarten wie Hasel, Salweide und Schlehe als auch Spätblüher wie Wildrosen, Brombeere und Hartriegel beherbergen, bieten vom Frühjahr bis in den Herbst eine reichhaltige Nahrungsquelle für Wildbienen, Hummeln und viele andere Insekten. Sie bieten somit eine wichtige Ergänzung des Nahrungsangebots, wenn die Raps-, Obst- oder Löwenzahnblüte vorbei ist.

Ist die Hecke ein gefährdeter Lebensraum?

Mit dem Einzug des Stacheldrahts und später des Elektrozauns wurde die Hecke in ihrer Funktion als Viehzaun entbehrlich. Hecken wurden aktiv beseitigt, um zusätzliches Ackerland zu gewinnen. Vor allem den Flurbereinigungen nach dem 2. Weltkrieg fielen Heckenlandschaften noch bis in die 1980er-Jahre großflächig zum Opfer. Heute sind Hecken als Biotop geschützt. Problematisch ist aber der erhöhte Nährstoffeintrag, z.B. die Überdüngung der Äcker. Außerdem werden Hecken heute meist nicht mehr traditionell genutzt und oft nicht angemessen gepflegt, sodass ihre ursprüngliche Struktur verschwindet und mit der Zeit eine Baumreihe aus der ursprünglichen Hecke erwächst.

Worauf sollte man beim Anlegen einer Hecke im Garten achten?

Aus naturschutzfachlicher Sicht ist hier eine Hecke mit verschiedenen heimischen Gehölzarten besonders sinnvoll. Das können z. B. Wildrosen, Schlehen, Weißdorn oder die Vogelbeere sein. Blühende und früchtetragende Gehölzarten sorgen auch im Garten für ein reichhaltiges Nahrungsangebot, von dem die verschiedensten Wildtierarten profitieren. Und auch im Garten gilt: Dornen und Stacheln schützen brütende Vogelarten vor Fressfeinden, zu denen im heimischen Garten auch die Katze und der Hund zählen.

Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif

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Über Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif

Prof. Dr. Dr. hc. Albert Reif hat über die Hecken Nordbayerns promoviert. Von 1989 bis 2018 leitete er die Professur für Standorts- und Vegetationskunde an der Albert Ludwigs-Universität Freiburg. Nach seiner Pensionierung wurde er der 1. Vorsitzende des Badischen Landesvereins für Naturkunde und Naturschutz e.V. und Naturschutzbeauftragter des Landratsamts Breisgau-Hochschwarzwald für die Gemeinden des Kaiserstuhls.

Foto: Michael Tetzlaff

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