Die Veränderbarkeit begreifen

Prof. Dr. Hansjörg Küster

Prof. Dr. Hansjörg Küster
Für den Vorsitzenden der Stiftung Naturschutzgeschichte, Prof. Dr. Hansjörg Küster, ist es wichtig, dass Naturbildung Kindern wie Erwachsenen vermittelt: Natur ist immer im Wandel und wir Menschen entscheiden mit darüber, wie sie sich entwickelt.

Eines Ihrer Spezialgebiete ist die Geschichte der Landschaft. In welcher Landschaft sind Sie als Kind denn herangewachsen?

Ich habe als Kind schon früh gemerkt, dass es sehr verschiedene Landschaften gibt und dass man zwischen den einzelnen Landschaften hin- und herfahren kann. Meine ersten Erinnerungen gehen einerseits an die Elbe in Hamburg, wo meine Großeltern lebten, und andererseits an die Orte, an denen ich aufgewachsen bin – in der Nähe von Frankfurt und dann vor allem in einem Dorf bei Stuttgart. Ich habe festgestellt, dass es dort jeweils sehr unterschiedlich aussieht, dass das eine Gebiet gebirgig ist, das andere flach, und dass es unterschiedliche Flüsse gibt, dass es Nord- und Ostsee gibt. Ich habe auch sehr früh schon Karten lesen können. Meine Eltern erzählten, dass ich mich bereits als Zwei- oder Dreijähriger auf einer Karte orientieren konnte.

Prof. Dr. Hansjörg Küster

Und haben Sie diese Landschaften nur auf der Karte studiert oder haben Sie auch draußen in der Natur gespielt?

Ja, an der Elbe sehr viel. Und wir hatten einen wunderbaren Garten in einem Vorort von Stuttgart, der war zum Teil verwildert und voller Bäume und Büsche. Da konnte man sich hervorragend verstecken. Das waren sehr schöne Erlebnisse.

Mit Ihrer Stiftung Naturschutzgeschichte residieren Sie ganz und gar nicht versteckt, sondern an einem sehr auffälligen Ort, oben auf dem Drachenfels. Wie kam es dazu?

Zeichnung vom Steinbruch Drachenfels

Der Drachenfels gilt als das älteste Schutzgebiet für Natur. Es ist 1836 von der preußischen Provinzialverwaltung unter Schutz gestellt worden. Aus seinen Steinen wurde der Kölner Dom errichtet, aber die Menschen wollten verhindern, dass der Drachenfels komplett abgetragen wird. Das ist ein sehr interessanter Konflikt. Man sagte: Wir wollen den Kölner Dom haben und wir wollen auf der anderen Seite den Drachenfels behalten. Der Dom hatte damals noch nicht seine Türme, da war also wirklich noch einiges zu tun. Dennoch hat man schließlich die weitere Abtragung des Drachenfels verboten, weil man dessen Erhalt als wichtiger ansah.

Also 1:0 für die Natur gegen die Kultur?

Nun ja, nicht wirklich. Der Kölner Dom musste ja trotzdem fertig werden, also hat man sich die Steine woanders hergeholt. Man sieht also, dass es bereits beim ersten Schutzgebiet Deutschlands einen Konflikt gab um Interessensabwägung, um Ausgleichsregelungen. Man kann eben nicht alles haben, das zeigte sich da schon. Und das ist der Grund, warum das ein symbolträchtiger Ort für den Naturschutz ist und es bot sich an, diese Stiftung und das Museum für Naturschutzgeschichte dort anzusiedeln.

Die Stiftung beschäftigt sich mit der Geschichte des Naturschutzes. Können Sie Ihren Forschungsgegenstand kurz definieren?

Es geht darum, was man zu verschiedenen Zeiten unter Naturschutz verstanden hat. Natur ist kein eindeutiger Begriff, Naturschutz also auch nicht. Man kann nämlich entweder eine Natur schützen, die man für besonders schön hält, oder man schützt eine Natur, die man einfach sich selbst überlässt, wo man die Wildnis gewähren lässt. Beides ist nicht dasselbe und das ist auch im Laufe der Geschichte nie dasselbe gewesen. Zudem haben sich die gesetzlichen Regelungen verändert und es sind auch aus sehr unterschiedlichen Beweggründen Naturschutzvorhaben initiiert worden.

Drachenfels

Wie streng grenzen Sie dabei das Thema Naturschutz von Umwelt-, Tier- und Artenschutz oder auch Heimatschutz ab?

Das muss man hin und wieder tun, ja. Aber es ist zum Beispiel so, dass viele Menschen unter Heimatschutz Naturschutz verstehen. Und es gibt viele, die verstehen Artenschutz unter Naturschutz. Den technischen Umweltschutz kann man leicht abgrenzen, der ist etwas anderes, da geht es letztlich um die Gesundheit des Menschen. Aber Naturschutz, Artenschutz, Heimatschutz und Landschaftsschutz, oder auch Schutz der Wildnis – das muss man jeweils genau definieren und dann sehen, was man miteinander in Übereinstimmung bringen kann und was ein Widerspruch ist. Wir können nicht Arten schützen und gleichzeitig die Wildnis. Das geht nicht, denn in der Wildnis werden sich immer wieder bestimmte Arten durchsetzen auf Kosten anderer. Und wenn wir Artenschutz betreiben wollen, müssen wir aktiv für den Schutz dieser Arten eintreten, auch gegen die Natur. Dies nur als ein Beispiel für die vielen Interessenskonflikte, die es da gibt.

Und ist die Naturbildung für Sie auch ein Bestandteil des Naturschutzes oder ist das eher die Meta**ebene?**

Es ist ein sehr wichtiger Teil davon, weil wir über die Naturbildung nämlich klar machen müssen, dass nicht alles miteinander vereinbar ist, dass wir deutlich sagen müssen, was unsere Ziele sind. Wollen wir nun die Arten schützen, und wenn ja, welche? Auch das muss ja ausgewählt werden. Wir können nicht alle schützen. Es gibt auch eine ganze Reihe von Arten, die wir gar nicht schützen wollen, also bestimmte Krankheitserreger zum Beispiel. Also müssen wir uns entscheiden: Welche Arten wollen wir haben, welche Landschaften wollen wir haben, wie wollen wir die Wildnis unterstützen‚ welche Entwicklung wollen wir da gerne fördern? Und das müssen wir immer sehr genau diskutieren. Aber das geht nur, wenn wir auch ein wenig von der Natur verstehen und wenn sie uns wichtig ist. Daher ist Naturbildung elementar.

Seit wann hat denn Naturbildung im Naturschutz eine Rolle gespielt?

Das war schon ziemlich früh der Fall. Es stellt sich bloß die Frage, mit welcher Qualität dies geschehen ist. Wenn man an die Ahnenväter und Ahnenmütter des Naturschutzes denkt, dann war denen das auch schon ein sehr wichtiges Anliegen. Lina Hähnle, die Gründerin des Bundes für Vogelschutz, zum Beispiel ist ohne dies eigentlich gar nicht zu denken. Sie hat unglaublich viel investiert in Naturbildung und auch in das Naturerleben für jeden Menschen, indem sie beispielsweise am Federsee in Oberschwaben ein Stück Land gekauft hat. Dies hat sie nicht nur getan, um es zu schützen und zu bewahren, sondern sie hat auch dafür gesorgt, dass ein Steg zum See gebaut wird, damit jeder diese Natur erleben kann. Und dies sollte auch nicht nur für einen exklusiven Kreis möglich sein, sondern wirklich für alle Menschen. Sie hat dort mit ihren Söhnen Naturfilme gemacht und da ging es natürlich auch vor allem um Pädagogik.

Wie hat sich die Naturbildung im Laufe der Geschichte verändert?

Es geht immer darum, dass man den Menschen ein Naturerlebnis vermitteln möchte. Man will ihnen die Pflanzen- und Tierarten zeigen, sie müssen also einen konkreten Anhaltspunkt haben, was sie da eigentlich sehen in der Natur. Es kommen natürlich ständig neue Fragen, neue Ansätze hinzu, etwa wie man strategisch im Naturschutz vorgehen will. Das Wichtigste ist aber immer wieder, dass man versucht, Menschen an die Natur heranzuführen, da ist es auch ganz egal, ob das junge Menschen oder Erwachsene sind.

Über Hansjörg Küster

Prof. Dr. Hansjörg Küster wurde 1956 geboren, studierte Biologie an der Universität Stuttgart-Hohenheim und ist seit 1998 Professor für Pflanzenökologie am Institut für Geobotanik an der Leibniz Universität Hannover. Seine Arbeitsgebiete sind die Grundlagen der Ökologie und die Vegetations– und Landschaftsgeschichte. Küster ist außerdem Autor zahlreicher Bücher und Vorstandsvorsitzender der Stiftung Naturschutzgeschichte. Er leitet mehrere Forschungsprojekte (EU-Verbundprojekte, DFG, Volkswagen­Stiftung, Stiftung Niedersachsen) und ist zudem Präsident des Niedersächsischen Heimatbundes.

Sie haben ja schon gesagt, „Natur“ sei kein eindeutiger Begriff und sehr oft weltanschaulich, philosophisch oder politisch geprägt. Inwiefern ist es dann überhaupt möglich, Naturbildung wertfrei zu vermitteln? Oder ist sie nicht immer auch Ausdruck der gerade herrschenden Vorstellung von Natur?

Teils, teils, würde ich sagen. Naturbildung war natürlich Teil von Ideologien, aber zuweilen auch eine Art Freiraum, in den man sich jenseits herrschender Ideologien begeben konnte. Wenn im Nationalsozialismus Naturbildung betrieben wurde, bei der Hitlerjugend beispielsweise, dann war dies sicher einerseits Teil der NS-Indoktrinationspolitik, aber es ging selbstverständlich auch darum, dass man vorgeführt hat: Das ist eine Amsel, das ist eine Meise, das ist ein Adler. Natürlich gehören zu solchen Informationen auch Geschichten, damit man sie sich einprägen kann. Wenn ich einfach nur sagen würde: Das ist ein Rotkehlchen und das ist ein Dompfaff, die haben beide etwas Rotes an sich, dann lernt man nicht, was an diesen Vögeln so besonders ist. Man muss immer noch eine Geschichte über sie erzählen und die kann dann natürlich auch immer ideologisch eingefärbt sein.

Gerade, wenn es darum geht, Kinder mit Natur vertraut zu machen, stellt sich die Frage: Was gibt man ihnen dabei an kulturellen Werten mit auf den Weg, oder ist es möglich, dass sie ohne solcherlei Beeinflussung ihre eigenen Erfahrungen machen?

Nur wenn wir akzeptieren, dass es kein ökologisches Gleichgewicht gibt, können wir auch die Evolution begreifen.

Ganz wertfrei kann es niemals sein, wenn zu den Tieren eine Geschichte erzählt wird. Man sollte natürlich sehen, dass man die Geschichten an den wissenschaftlichen Fakten orientiert. Auch damit kann man Kinder erreichen. Die Fakten sind oft erstaunlich genug. Wenn man ihnen zum Beispiel erzählt, dass eine Kuh kein Gras frisst, dann finden die das natürlich spannend, weil sie meinen, das Gegenteil mit eigenen Augen gesehen zu haben. Aber eine Kuh kann gar kein Gras fressen, weil sie gar nicht die Enzyme hat, um Gras zu zerlegen, das haben nur Bakterien. Sie rupft das Gras nur ab, füttert damit die Bakterien in ihrem Pansen, in ihrem Vormagen, dann vermehren sich die Bakterien und schließlich kann die Kuh diese Bakterien fressen. Also frisst eine Kuh Bakterien - das heißt Wiederkäuen. So etwas finden Kinder interessant, schwieriger ist es, ihnen begreiflich zu machen, dass eine Pflanze keine Sinnesempfindungen haben kann. Man sollte den Kindern also keine Geschichten erzählen, bei denen sie denken, man würde einer Pflanze Schmerzen zufügen, wenn wir sie abpflücken oder wenn wir einen Ast von einem Baum absägen. Das zu verstehen ist wichtig, weil viele Bäume sogar viel länger leben, wenn wir gelegentlich einen Ast von ihnen absägen, zum Beispiel eine Esche oder eine Hainbuche. Ich kann mir sogar denken, dass eine Rose tatsächlich 1.000 Jahre alt werden könnte, wenn man sie immer wieder schneidet.

Gimpel

In der Naturbildung wird ja meist nicht nur biologisches Wissen zu einzelnen Tieren oder Pflanzen vermittelt, sondern auch ein Bewusstsein über die Natur an sich. Da wird zum Beispiel oft vom „ökologischen Gleichgewicht“ geredet ...

... und das gibt es gar nicht. Und zwar deshalb nicht, weil sich in der Natur unaufhörlich alles verändert. Nur wenn wir akzeptieren, dass es kein ökologisches Gleichgewicht gibt, können wir auch die Evolution begreifen. Die Evolution schließt ein ökologisches Gleichgewicht aus. Die eine Pflanzen- oder Tierart wird sich sehr stark vermehren und die andere weniger stark, und das wird dazu führen, dass die Welt in einigen tausend Jahren völlig anders aussieht. Das ist nicht begreifbar zu machen, wenn wir von einem ökologischen Gleichgewicht ausgehen. Ich habe ein Schulbuchwerk mitgeschrieben, dort haben wir das ökologische Gleichgewicht beerdigt.

Was haben Sie stattdessen hineingeschrieben? Welches Grundverständnis von Natur sollte vermittelt werden?

Es geht darum, dass wir möglichst viele Arten kennenlernen und ein Verhältnis zur Natur aufbauen und darum, gemeinsam etwas in der Natur zu machen. Denn wir müssen uns darauf einigen, wie sich ein Stück Landschaft – ich sage jetzt nicht „Natur“, sondern bewusst „Landschaft“ – in Zukunft entwickeln soll und was uns in dieser Landschaft wichtig ist. Welche Tierarten wollen wir dort haben, welche Pflanzenarten, welche landschaftlichen Strukturen, welche Aktivitäten der Landwirtschaft, welche Aktivitäten der Jägerei, wollen wir dort Spazierwege anlegen, welche Häuser soll es darin geben? Eine Vision entwickeln und sich über die eigene Verantwortung dafür bewusst zu werden, das sollte das Bildungsziel sein.

Bücher von Hansjörg Küster

  • 1
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-geschichte-der-landschaft-in-mitteleuropa
    Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa

    Autor: Hansjörg Küster

    C.H. Beck, München,

  • 2
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-die-ostsee
    Die Ostsee

    Autor: Hansjörg Küster

    C.H. Beck, München,

  • 3
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-das-ist-oekologie
    Das ist Ökologie

    Autor: Hansjörg Küster

    C.H. Beck, München,

  • 4
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-die-elbe
    Die Elbe

    Autor: Hansjörg Küster

    C.H. Beck, München,

  • 5
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-geschichte-des-waldes
    Geschichte des Waldes

    Autor: Hansjörg Küster

    C.H. Beck, München,

  • 6
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-schoene-aussichten
    Schöne Aussichten

    Autor: Hansjörg Küster

    C.H. Beck, München,

  • 7
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-die-entdeckung-der-landschaft
    Die Entdeckung der Landschaft

    Autor: Hansjörg Küster

    C. H. Beck, München,

  • 8
    buecher-von-hansjoerg-kuester_hansjoerg-kuester-am-anfang-war-das-korn
    Am Anfang war das Korn

    Autor: Hansjörg Küster

    C: H. Beck, München,

Also als Bildungsauftrag: eine kulturelle Verständigung über Natur?

Ja, und das hat mehr mit uns Menschen zu tun als mit der Natur.

Wenn „Natur“ gar kein eindeutig definierter Begriff ist, von welcher Natur sprechen wir dann, wenn Sie sagen, Naturerfahrungen seien wichtig für den Menschen?

Von der sich verändernden und veränderbaren Natur. Das ist etwas, was Kinder begreifen müssen. Dass man tatsächlich etwas gestalten kann. Ob das nun der Berg in der Sandkiste ist und wie steil man seine Hänge machen kann, ohne dass er einstürzt, wie er sich hält, was mit ihm beim nächsten Regen passiert. Das sind wichtige Erfahrungen, genauso, wie dass man als Kind ein kleines Gartenbeet hat und dort mal Kartoffeln pflanzt und dabei lernt, dass sie keine Wurzelorgane sind. Und lauter solche Dinge, das ist wichtig. Dass man Unkraut jäten muss, dass man dazu Unkraut von den Pflanzen, die man gerne haben will, unterscheiden muss. Dass man sich dann aber auch bewusst macht, welche Pflanze man haben möchte und welche man als Unkraut betrachtet. Da hab ich mir als Kind auch schon drüber Gedanken gemacht: „Warum reiße ich diese Pflanze jetzt aus und die andere nicht?“ Man hat ja auch im Gartenbeet ein bestimmtes Ziel, man will dort etwas verwirklichen und muss wissen, dass man dann auch eingreifen muss.

Das heißt, eine Naturerfahrung, bei denen Kindern ständig gesagt wird: „Hier darfst du nicht in den Wald hineinlaufen und dort darfst du nichts anfassen und niemals darfst du einen Ast abknicken oder eine Pflanzen ausreißen!“ wäre aus dieser Logik nicht sinnvoll? Sollte man ihnen eher vermitteln, dass man in die Natur eingreifen, dass man mit ihr arbeiten kann?

Ja. Also man sollte die Kinder schon davor bewahren, dass sie ein Feuer machen mitten im Wald. Aber das hat für mich dann weniger mit Naturschutz zu tun. Aber selbst die Zerstörung kann neues Leben bringen und es ist manchmal gar nicht schädlich, einem Baum einen Ast abzuschlagen, weil der wieder austreibt und weil man auf diese Art und Weise den Wald auch auflichtet und unter dem Baum dann eben neue Pflanzen wachsen. Generell zu sagen: „Baum ab: nein, danke!“ ist keine gute Idee für die Naturbildung.

Die schönste Landschaft ist für mich eine, von der ich mir einbilde, dass ich sie sehr gut verstanden habe.

Sie sagen, dass unser Blick auf die Natur etwas Kulturelles sei und wir sie ja auch schön finden wollen. Verraten Sie uns doch, was Sie schön finden! Welche Landschaft ist für Sie die schönste?

Die schönste Landschaft ist für mich eine, von der ich mir einbilde, dass ich sie sehr gut verstanden habe, mit ihren ökologischen Bezügen, auch mit ihren Eingriffen durch den Menschen, was sich dort getan hat und weshalb. Eine Landschaft, die mir vertraut ist, die ich gerne einmal wiedersehen will, auch um zu sehen, wie sie sich ändert.

Und nicht eine spezielle?

Sehr lieb sind mir halboffene Weidelandschaften. Aber die finden ja sehr viele Menschen schön, auch wenn sie sie oft falsch verstehen, weil sie denken, das seien Wildnisse. Dabei sind es kulturgeschichtliche Denkmäler, die durch eine spezielle Beweidung entstanden sind. Meine Idee vom Paradies sah als Kind auch so aus. An meinem Wohnort war so eine halboffene Weidelandschaft mit schönen alten, ausladenden Eichen. Da konnte man wunderbar zwischen diesen Bäumen herumlaufen und Eicheln sammeln. Das war sehr schön. Heute weiß ich, dass diese Eichen alle gleich alt und in der Zeit kurz nach 1800 gepflanzt worden sind, um dort eine Pferdeweide anzulegen, die zu einem Bauernhof gehörte, der damals als Reformbauernhof ganz in der Nähe gebaut wurde. Das macht diese Landschaft für mich nicht weniger interessant, sondern ich bin geradezu fasziniert davon, ihre Entwicklung zu beobachten.

Das Gespräch führte Ivo Bozic