Naturkindergarten Wassermühle

Dem Wetter trotzen: Matschhosen an und draußen gemeinsam Spaß haben.

Kinder sehen einen Regenbogen Kinder sehen einen Regenbogen
Auf dem Gelände einer alten Mühle in Leipzig ist der Patenkindergarten für das Bundesland Sachsen beheimatet. In dem Fröbel-Kindergarten erleben täglich 35 Kinder und fünf Erzieherinnen und Erzieher die Natur in der Großstadt Leipzig.

Hier berichten unsere Naturpädagogen von ihren Besuchen bei den Patenkindergärten der Deutschen Wildtier Stiftung

Neue Ideen in historischer Kulisse

Ratternd fährt die Leipziger Straßenbahn in Richtung Süden, vorbei an geschichtsträchtigen Orten und Gebäuden, an Geschäften und Parkflächen. Schließlich hält sie an und die Türen öffnen sich. Von der Straßenbahnhaltestelle Frederikenstraße sind es nur wenige Meter bis zur Wassermühle im Leipziger Stadtteil Dölitz. Die Mühle stand schon im 16. Jahrhundert hier. Wenn man ganz leise ist, kann man das Plätschern des instandgesetzten Mühlenrades hören. Heute ist der charmante vierseitige Mühlenhof ein Ort der Bildung – neben einem geplanten Museum mit Schauwerkstatt sind hier ein Umweltbildungszentrum und der Fröbel-Naturkindergarten Wassermühle zu Hause. Außerdem eine Katze und mehrere Hühner. „Die Räume hier in der Wassermühle waren nur wenig genutzt und der Förderverein der Wassermühle war auf der Suche nach einer Möglichkeit, einen Kindergarten im Mühlenhof zu integrieren. Und so sind die Naturpädagogik und die Wassermühle zusammengekommen“, erklärt Sven, Erzieher im Naturkindergarten, den Anfang des Projekts. Heute besuchen 35 Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren den Kindergarten und der bietet viel Platz für Naturerfahrungen – mitten in Sachsens größter Stadt.

Die Kinder des Patenkindergarten Wassermühle

Steckbrief

Art: Naturkindergarten
Geografische Lage: Leipzig (Dölitz-Dösen)
Gründungsjahr: 2007
Träger: Fröbel Bildung und Erziehung gGmbH
Anzahl der Kinder: 35
Alter der Kinder: 3 bis 6 Jahre
Betreuungsschlüssel: 5 Erzieher/innen (TZ) + FÖJ + Praktikant

Die „Mühlenkinder“

Die Kinder sind schon in Aufbruchsstimmung. Alle ziehen Matschhosen, Stiefel und Jacken an, damit es endlich losgehen kann nach draußen. Nach dem gemeinsamen Morgenkreis laufen die Kinder los in Richtung des Agra-Landschaftsparks, der gleich hinter dem Mühlenhof liegt. An den Rucksäcken der Kinder wackelt im Takt der Schritte der „Mühlentaler“, den jedes Kind an seinem ersten Kindergartentag bekommt. „Das ist eine kleine Baumscheibe, die ein bisschen aussieht, wie unser Mühlenrad – darauf ist das Zeichen der Wassermühle eingebrannt und mit dem Namen eines jeden Kindes. Da sind alle immer ganz stolz. Und uns hilft es beim Auseinanderhalten der Rucksäcke“, lacht Sven. Heute haben die Erzieher einen besonderen Weg ausgewählt. Es geht über den Vogellehrpfad ins offene Parkgelände. Dieser Pfad führt an einem Fluss vorbei, daher werden vorab noch die Regeln geklärt: „Worauf achten wir, wenn wir am Wasser laufen?“, fragt Erzieher Fred. Die Kinder wissen sofort, worauf es ankommt: „Nicht schubsen, nicht rennen und vor allem nicht ins Wasser fallen“, rufen die Kinder einstimmig. Und schon stiefeln sie los, diesmal hintereinander immer am Flusslauf entlang.

Der Patenkindergarten Wassermühle

Wenn es langsam kälter wird …

Die Sonne scheint am blauen Himmel über Leipzig, trotzdem ist es schon merklich kälter geworden. Raureif hat sich auf die Gräser und Sträucher des Agra-Parks gelegt. „Ist denn schon Winter?“, fragt Fred die Kinder. Diese schauen sich fragend an und sind sich einig, dass das, was hier liegt, eigentlich noch kein Schnee sein kann. „Wie nennt man das denn, was hier auf den Pflanzen und Blättern liegt?“, fragt Fred weiter und gemeinsam kommen die Kinder darauf, dass der Reif alles bedeckt, weil es nachts nun schon so kalt ist. Das hält die Kindergruppe nicht davon ab, schon einmal die ersten „Schnee-Engel“ auf dem Rasen auszuprobieren. Sie legen sich auf den Boden und bewegen die ausgestreckten Beine und Hände solange auf dem Boden hin und her bis eine ganze Schar kleiner Engelabdrücke entstanden ist. Nach ihrem dritten „Schnee-Engel“ bleibt Maya erstaunt auf dem Boden sitzen und greift nach einem bereiften Blatt in ihrer Nähe. Sie schaut es sich genau an, schüttelt es dann, und sieht wie der Raureif langsam vom Blatt zu Boden rieselt: „Guck mal, es schneit ja doch schon ein bisschen“, freut sie sich.

Kinder des Patenkindergarten Wassermühle spielen

Bloß keine Kompetenzmaschinen heranziehen!

Altes Wissen neu genutzt

Um sich etwas aufzuwärmen, sammeln die Kinder das Laub am Boden zu einem riesigen Blätterberg zusammen. Eine Möglichkeit für Erzieher Enrico mit Hilfe der Blätter nicht nur das Zählen sondern auch gleich ein wenig Pflanzenkunde mit den Kindern zu wiederholen. Dabei geht es ihm nicht darum, so viele Bäume wie möglich zu bestimmen. „Bloß keine Kompetenzmaschinen heranziehen!“, sagt Enrico. „Wir möchten, dass den Kindern die Natur Spaß macht, dass sie viel Spielen können und auch wirklich Kind sein dürfen. Alles andere kommt dann sowieso von ganz allein – aber eben alles zu seiner Zeit. Dazu gehört auch, den Kindern den Freiraum zu geben ab und zu unbeobachtet spielen zu können“, erklärt Enrico und zeigt auf die weite offene Landschaft des Parks und die Verstecke der Kinder für ihre „privaten“ Rückzugs– und Spielorte. Währenddessen kommt Fred von einer Erkundung mit einer neuen Idee im Gepäck zurück. „Dort hinten ist ein See, der ist wirklich schön. Da können wir mit den Kindern im Frühjahr Boote bauen und fahren lassen“, beschreibt er Enrico seine neue Entdeckung. Beide Erzieher sind gelernte Zimmermänner, Enrico hat zudem ein Diplom als Designer. Im Naturkindergarten können sie ihre früheren Beschäftigungen mit einbringen. „Wir bauen und basteln oft mit den Kindern. Formen, Farben und Kunst sind schöne Felder, die man in der Natur super umsetzen kann“, beschreibt Enrico die Parallelen zu seinem früheren Arbeitsbereich und freut sich immer wieder über die Begeisterung der Kinder, wenn etwas neues probiert wird.

Die Kinder zum Mittagessen sitzen draußen in der Sonne.

Was man sonst noch lernt im Naturkindergarten

Weiter geht es mit den Mühlenkindern durch den Leipziger Agra-Park, denn es gibt noch so viel mehr zu entdecken. Dabei sind die Kinder nicht nur in der Natur unterwegs, sondern lernen auf ihrem Weg durch den Park nebenbei viele andere Dinge. „Hier sind ständig Menschen unterwegs, mit Hunden oder auf dem Fahrrad. Die Kinder lernen, an den Wegen anzuhalten und zu schauen, ob jemand von links oder rechts kommt, sie lernen auf ihre Umgebung zu achten und nicht alles sofort immer anfassen zu müssen“, erklärt Enrico die Situation. Und auch die Sozialkompetenz wird geschult, wenn die Kinder im schön gestalteten Park umherlaufen. Dieser wird von der Stadt gepflegt und instand gehalten. „Juhu, Laubhaufen! Da springen wir rein!“, hört man die Jungs der Gruppe rufen. Die großen geharkten Laubhaufen sind so verführerisch und Benno, Friedrich und Luis setzen bereits zum Anlauf an. „Stoooop!“, ruft Fred und kann so die Laubhaufenzerstörung gerade noch verhindern. „Wer in die Laubhaufen springt, muss für den Rest des Kindergartens jeden Tag den Bollerwagen ziehen“, hält er die Kinder mit einem Zwinkern davon ab. „Also, warum machen wir die Laubhaufen nicht kaputt?“, fragt Fred die Jungs. Diese müssen gar nicht lange überlegen und Benno gibt kleinlaut zurück: „Weil die schon jemand zusammengefegt hat und der traurig wäre, wenn sie kaputt sind.“ Nach wenigen Metern sehen sie auch den Gärtner und Erbauer der Laubhaufen. Nun sind sie froh, dass sie nicht hinein gesprungen sind, denn der Gärtner zeigt ihnen sogar noch seine Werkzeuge und sein Auto, mit dem er die Blätter schließlich wegbringt.

Herbst Kind spielen

„Exotische“ Tiere in der Stadt

Ein letztes Stück müssen die Kinder noch weiter durch den Park, über Brücken und angelegte Blumenrabatten. An einem Teich bleiben sie gespannt stehen, denn hier ist der Aussichtspunkt, um Nutrias zu beobachten. Die pelzigen Nagetiere sind in früheren Jahren aus den Pelzfabriken ausgebrochen und wurden zum Teil sogar absichtlich ausgewildert. In Leipzig finden sie Nahrung und Lebensraum. Für die Kinder ist es immer wieder ein Erlebnis, die großen Nager zu beobachten. Doch noch mehr kann man in Leipzig bestaunen: Auf ihrem Rückweg zum Kindergarten queren die Mühlenkinder einen Tierlehrpfad, der zeigt, welche Tiere in den verschiedenen Lebensräumen vorkommen. Jan schaut sich die Bilder genau an. Lesen kann er ja noch nicht, aber fragen. Enrico und Fred erklären ihm gern, welche der Enten auf dem Teich eine Stockente und welcher Fisch auf dem Bild des Lehrpfads abgebildet ist. So lernen die Kinder im Vorbeigehen ihre Stadt und die biologische Vielfalt um sie herum kennen. Nun wird es aber Zeit, zurück zu gehen. Sami und Luis balancieren noch einmal die Mauer am Weg auf und ab und los geht es, zurück zum Mühlenhof. Dort wartet schon die zweite Gruppe mit dem Mittagessen. Und sogar das wird bei schönem Wetter draußen eingenommen.

Kontakt

Naturkindergarten Wassermühle
Vollhardtstraße 16
04279 Leipzig