Auf der Jagd nach den verborgenen Erdnägeln
Bericht aus Klepelshagen: Wildeinflussmonitoring 2025

Alle fünf Jahre stapfen wir mit GPS-Geräten und Metallsuchern durch die Wälder von Klepelshagen. Die Schätze, die wir dort finden wollen – stählerne Erdnägel, die vor Jahren in den Boden gerammt wurden –, sind für die meisten Menschen uninteressant. Für uns aber sind sie von unschätzbarem Wert: Mit ihrer Hilfe gewinnen wir Erkenntnisse über den Einfluss von Rothirsch und Reh auf die Gutswälder. Manchmal locken die Nägel dann aber doch auch echte Schatzsucher an.
Große Wildtiere wie der Rothirsch haben es in Deutschland schwer: Ihre Lebensräume sind zerschnitten, ihre Bewegungsfreiheit ist durch Zäune, Straßen oder Bahntrassen stark eingeschränkt. Vielerorts wird der Rothirsch zusätzlich in sogenannte Rotwildbezirke gedrängt, um Fraßschäden in der Forstwirtschaft zu minimieren. Auf unserem Stiftungsgut Klepelshagen ist das anders: Hier gibt es keine Zäune, Wildtiere können sich frei bewegen. Das bedeutet auch, dass sich unsere Forstwirtschaft auf große Pflanzenfresser einstellen muss. Rehe und Rothirsche fressen die Knospen junger Bäume und schälen die Rinde von älteren Exemplaren ab. Dieser Wildeinfluss ist ein natürlicher Teil des Ökosystems und richtet nicht notwendigerweise Schaden an. Zum Problem kann er aber im bewirtschafteten Wald werden, wenn die Tiere durch ihr Fressverhalten die Waldentwicklung beeinträchtigen. Um den Wildeinfluss in unserem Klepelshagener Forst messbar zu machen, führen wir seit 2015 alle fünf Jahre ein Monitoring durch. Das Ziel: Wir wollen belastbare Daten gewinnen, mit denen wir belegen können, dass unser Modell einer wildtierfreundlichen Forstwirtschaft funktioniert.
Wissenschaft mit Erdnägeln und Wäscheklammern
Bei der Erstaufnahme 2015 wurde Gut Klepelshagen mit einem Raster von 100 mal 100 Meter großen Abschnitten überzogen. Von den 817 Schnittpunkten, die in Waldgebieten lagen, wurden 750 ausgewählt und mit verankerten Erdnägeln markiert. Diese Stichprobenpunkte sind eine unveränderliche Messgrundlage, mit der wir über einen langen Zeitraum vergleichbare Daten aufnehmen können.
Im Rahmen des Monitorings suchen wir die 750 Stichprobenpunkte alle fünf Jahre auf. An jedem Stichprobenpunkt markieren wir die 20 nächsten Jungbäume unter zwei Meter Höhe mit einer leuchtend roten Wäscheklammer. Sie dürfen höchstens fünf Meter vom Messpunkt entfernt stehen. Die Entfernung des 20. Bäumchens wird gemessen und ergibt den Probekreisradius.
Dann beginnt die eigentliche Arbeit: Jedes der markierten Bäumchen wird auf frischen oder alten Verbiss durch Wildtiere untersucht. Zusätzlich erfassen wir in einem Radius von 10 Metern neue und alte Schälschäden an Bäumen mit einem Brusthöhendurchmesser zwischen 5 und 20 Zentimetern. Diese Informationen zeigen uns, wie sich der Wald verjüngt und welche Rolle Wildtiere dabei spielen.
Mit dem Gutsleiter durchs Unterholz
In diesem Jahr wurden die Erhebungen von drei Teams durchgeführt, zwei davon mit jeweils zwei Studierenden, die sich mit GPS-Geräten, Metallsuchern und einem Satz roter Wäscheklammern durchs Unterholz schlugen. Zu Team drei gehörten unser Förster und Gutsleiter Christian Vorreyer und der Wildökologe Burkhard Stöcker, der die Monitoringmethode für Klepelshagen vorgeschlagen und die ersten beiden Erhebungen geleitet hat. In diesem Jahr gab Stöcker sein Wissen an die Studierenden weiter und führte sie in die Methodik ein. Aber er ließ es sich auch nicht nehmen, selbst einige Stichprobenpunkte zu untersuchen.
Es war nicht immer leicht, die Messpunkte ausfindig zu machen. Offenbar waren die GPS-Geräte bei der Erstaufnahme 2015 deutlich ungenauer als heutige Handy-Apps. So mussten die Teams teilweise mit Kompass und Entfernungsmesser improvisieren. An einem Messpunkt erwartete sie sogar eine Überraschung: Der Erdnagel war verschwunden – vermutlich hatte ihn ein Schatzsucher ausgebuddelt.
Den Forst als Lebensraum erhalten
Die erhobenen Daten werden nun digitalisiert und nach einer festgelegten Methodik ausgewertet. Wie viele junge Bäume wachsen aus den Samen der Altbäume heran? Und wie wirkt sich das Fressverhalten der Wildtiere auf den Waldnachwuchs aus? Im Lauf des kommenden Winters werden wir mehr dazu sagen können. Die Daten aus 2020 hatten gezeigt, dass der Einfluss der Wildtiere gleichbleibend hoch war, wobei die Schälschäden leicht abgenommen hatten.
Der Vergleich der Ergebnisse aus den drei Erhebungsjahren wird uns zeigen, ob unser Modell der wildtierfreundlichen Forstwirtschaft funktioniert – oder ob wir durch die Jagd nachsteuern müssen. Sollte der Einfluss von Rothirsch und Reh auf die Entwicklung der Wälder zu groß sein, können wir zum Beispiel die Abschusszahlen anpassen. Oder wir jagen an bestimmten Orten intensiver, damit das Wild lernt: Hier ist es gefährlich – besser, wir suchen uns einen anderen Platz zum Fressen. Auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich klingt: Unser Ziel ist es dabei immer, den Wald als Lebensraum für Wildtiere zu erhalten.