Enttarnter Verwandlungskünstler
Klimawandel, Fressfeinde und der Mensch machen dem Alpenschneehasen zu schaffen
Von braun auf weiß – so wandelt der Alpenschneehase in den Herbstmonaten seine Fellfarbe. In verschneiter Landschaft beschert das dem Bergbewohner einen Überlebensvorteil, weil er für seine Fressfeinde so schwieriger zu entdecken ist. Doch der Klimawandel macht dem Tier des Jahres 2025 einen Strich durch die Rechnung.
Bis Mitte November haben die meisten Alpenschneehasen ihren Wechsel vom braunen Sommer- auf das weiße Winterfell abgeschlossen. In ihrem Lebensraum in Höhen ab etwa 1.300 Metern müsste es ab dann eigentlich flächendeckend schneien – daran haben sich die Tiere im Laufe zehntausender Jahre angepasst. Seit vielen Jahren aber sinken die Zahl der Schneetage sowie die Schneehöhe in den Alpen aufgrund des Klimawandels. In den Schweizer Alpen haben Wissenschaftler laut einer kürzlich veröffentlichten Studie in den letzten 70 Jahren einen Rückgang der Schneehöhe von acht Zentimetern pro Jahrzehnt gemessen. Und so kommt es immer häufiger vor, dass der Hase als leuchtend weißer Farbtupfer in der braunen Berglandschaft sitzt. Er selbst ist sich offensichtlich nicht bewusst, wie es um seine Fellfarbe bestellt ist und dass er so auffällt. Unwissenheit, die das Tier des Jahres 2025 manchmal mit dem Tod bezahlt: Am Tag und auch in mondhellen Nächten sind Schneehasen für Fressfeinde wie Füchse und Greifvögel gut sichtbare Beute.
Evolution braucht Zeit
Zwar können sich Wildtierarten an sich verändernde Umweltbedingungen anpassen. Der irische Schneehase beispielweise hat sein einst weißes Winterfell im Laufe der Zeit dauerhaft gegen ein braunes getauscht – eine perfekte Tarnung in Irlands Landschaft. Aber solche evolutionären Anpassungen dauern ihre Zeit und sind für den Alpenschneehasen angesichts des rasanten Klimawandels vermutlich nicht erreichbar.
Schneehasen brauchen Schutzgebiete
Neben den Folgen des Klimawandels und der Gefahr durch natürliche Feinde setzen dem Alpenbewohner auch menschliche Störungen zu. Wintersportler dringen immer weiter in die Rückzugsräume der Tiere vor. Schneeschuhwanderer und Skitourengeher sind dort unterwegs, wo die Hasen im Winter Ruhe suchen sowie Nahrung wie Fichtennadeln, Gräser, Moose und Rinde von Sträuchern finden. Studien zeigen, dass wiederholte Störungen durch Menschen die Stresshormonwerte im Blut der Schneehasen deutlich erhöhen können. Langfristig schwächt das ihr Immunsystem und kann sich sogar negativ auf das Überleben und die Fortpflanzung auswirken.
Anders als die Auswirkungen des Klimawandels, kann diese Bedrohung des Alpenschneehasen kurzfristig eingedämmt werden. Schutzgebiete, in denen der Hase ungestört bleibt, senken den Stress und können die Anzahl der Nachkommen von vielleicht zwei auf drei Würfe im Jahr erhöhen. Solche Flächen können damit für sein Überleben entscheidend sein. Die Deutsche Wildtier Stiftung plädiert daher für mehr Rückzugsräume und Ruhephasen für den Alpenschneehasen – und andere Wildtiere in den Alpen.