Vogelküken gefunden – helfen oder nicht?

Wer zwischen Ästlingen und Nestlingen unterscheiden kann, weiß wann Hilfe nötig ist

Haussperling-Ästling (Passer domesticus)

Im Juni schlüpfen viele Vogeljunge: Amseln, Stare und Sperlinge brüten zum zweiten Mal im Jahr. Umso häufiger begegnet man jetzt scheinbar hilflosen Küken. Dann stellt sich schnell die Frage: Muss man dem kleinen Vogel helfen?

Die Antwort lautet: Nicht unbedingt. Ob ein Jungvogel wirklich Hilfe braucht, hängt häufig davon ab, ob es sich um einen Nestling oder einen Ästling handelt. Genaues Hinschauen genügt, um richtig zu entscheiden, was Sie tun können – und vor allem, was Sie lassen sollten. Denn Jungvögel werden sehr häufig unnötig aus ihrem Lebensraum gerissen. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist es sogar verboten, wildlebende Tiere ohne vernünftigen Grund der Natur zu entnehmen (§ 39 BNatSchG – Bundesnaturschutzgesetz).

Ästlinge: neugierig unterwegs

Amsel, Drossel, Sperling, Meise, Rotkehlchen, Rotschwanz – viele Singvögel, aber auch Greifvögel und Eulen verlassen ihr Nest, kurz bevor sie richtig fliegen können. Die Ästlinge hüpfen in Nestnähe herum, schlagen mit den Flügeln, piepen und unternehmen erste Flugversuche – auch auf dem Boden zu Ihren Füßen. Das ist ganz normal und kein Grund zur Sorge. Lassen Sie den jungen Vogel in Ruhe lernen. Seine Eltern sind in der Regel ohnehin in der Nähe und kümmern sich.

Nur in Ausnahmefällen ist Eingreifen nötig – zum Beispiel, wenn der Ästling gefährlich nah an einer Straße sitzt oder eine Katze in der Nähe herumstreift. Dann gilt: Den Ästling vorsichtig aufnehmen und entweder in das Nest zurück oder in Fundortnähe in eine dichte Hecke setzen. Dort ist er besser geschützt, und die Eltern finden ihn.

Ästlinge in Aktion

Nestlinge: schnell zurück ins Nest!

Nestlinge sind dagegen viel jünger. Man erkennt sie daran, dass sie noch kaum befiedert sind und die Augen möglicherweise noch geschlossen haben. Sie können nicht allein außerhalb des Nests überleben. Wer so ein Küken findet, sollte schnell handeln. Der Glaube, dass Vogeleltern ihre Jungen nach menschlichem Kontakt verstoßen, ist längst widerlegt. Setzen Sie das Küken also behutsam zurück ins Nest.

Manchmal werfen Vogeleltern allerdings ein krankes oder schwaches Küken gezielt aus dem Nest. Das ist für uns Menschen oft schwer zu verstehen. Es ist aber ein natürliches Verhalten, das die Evolution hervorgebracht hat, um den langfristigen Fortpflanzungserfolg der Elterntiere zu sichern. In diesen Fällen hat auch der Mensch meist keine Chance mehr, das Tier zu retten.

Blaumeisenküken im Nest

Wichtig für das Überleben eines jeden Jungvogels ist auch, Gefahrenquellen zu entschärfen. Ein Risiko sind beispielsweise offene Regentonnen. Die unerfahrenen Vögel fliegen zum Trinken heran, fallen hinein und kommen an den glatten Wänden nicht mehr hoch. Dann ertrinken sie. Decken Sie Regentonnen deshalb unbedingt ab. Und denken Sie auch bei Gartenteichen daran, eine Ausstiegshilfe ins Wasser zu legen, zum Beispiel ein langes Brett oder einen Stock. Hauskatzen sollten möglichst bis Ende Juni im Haus gehalten werden, damit sie keine Jungvögel erbeuten.

Graugans mit Gössel

Wissenswertes über Graugänse

In den vergangenen Wochen wurden die Graugansküken geboren – Gössel genannt. Eifrig zupfen die noch flugunfähigen Kleinen Gräser aus dem Boden – streng überwacht von Gans und Ganter. Meist grasen gleich mehrere Gänsefamilien gemeinsam – denn Gänse sind gesellig und warnen sich gegenseitig vor Gefahren.

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Schwanzmeisen (Aegithalos caudatus), Foto: © imageBROKER.com / FLPA / Bill Baston

Großfamilie Schwanzmeisen

Die Schwanzmeise ist ein verwandtschaftlich besonders vernetzter Vogel. Denn es gibt reichlich Hilfe bei der Futterversorgung aus der großen Schwanzmeisenfamilie. Schwanzmeisen, die sich bei der Aufzucht anderer Jungvögel engagieren, sind an allen Versorgungsaktivitäten wie Füttern, Wegtragen von Kotballen und der Nestverteidigung beteiligt.

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Blaumeise

Zeig mir deinen Schnabel!

Beobachtungen der heimischen Vogelwelt bringen noch mehr Spaß, wenn man sich auskennt: Schauen Sie sich doch beim nächsten Spaziergang die Vögel einmal genauer an und erfahren Sie so, ob es um Körner- Weich- oder Allesfresser handelt.

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