Auf der Jagd nach Lösungen

Beim 9. Wildtier Forum Berlin ging es um den Greifvogelschutz im Spannungsfeld der Politik

Wildtier Forum Berlin 2025 Thema Greifvögel

Erneuerbare-Energien-Gesetz, Gemeinsame Agrarpolitik, Wiederherstellungsverordnung – die Regelungen, die sich hinter diesen sperrigen Namen verbergen, haben eines gemeinsam: Sie beeinflussen die Lebensräume von Wildtieren. Besonders stark betroffen sind Greifvögel. Deshalb haben wir sie auf dem 9. Wildtier Forum Berlin in den Blick genommen. Unter dem Motto „Auf der Jagd nach Lösungen“ diskutierten wir mit unseren Gästen, welche Herausforderungen und Chancen sich für den Greifvogelschutz im Spannungsfeld der Politik ergeben.

Mehr als 100 Fachleute aus Naturschutz, Landwirtschaft, Jagd, Wissenschaft und Politik folgten unserer Einladung und kamen am 16. Oktober 2025 ins Allianz Forum am Pariser Platz. Damit war das Wildtier Forum Berlin so gut besucht wie noch nie. Begrüßt wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Prof. Dr. Klaus Hackländer, Vorstand der Deutschen Wildtier Stiftung, und unserem Leiter Natur- und Artenschutz Dr. Andreas Kinser.

Greifvögel brauchen Schutz – nicht nur in heimischen Brutgebieten

Zum Einstieg ins Vortragsprogramm gab Ubbo Mammen vom Büro für angewandte Landschaftsökologie ÖKOTOP einen Überblick über die Greifvogelbestände und Entwicklungstrends in Deutschland. Sein Fazit war zwiespältig: Einige Arten haben sich in den letzten 20 Jahren erholt, bei anderen sind die Bestände deutlich zurückgegangen. Greifvögel brauchen also weiterhin unseren Schutz.

Nationales Artenhilfsprogramm für den Schreiadler

Das gilt zum Beispiel für den Schreiadler, von dem es in Deutschland nur noch rund 130 Brutpaare gibt. Christiane Röttger koordiniert bei der Deutschen Wildtier Stiftung das Nationale Artenhilfsprogramm für den Schreiadler, das wir 2024 gemeinsam mit der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe und der Stiftung Umwelt- und Naturschutz MV gestartet haben. In ihrem Vortrag berichtete Röttger aus dem Projekt und erklärte, wie wir die seltene Greifvogelart bewahren können: „Die Vögel leiden darunter, dass unsere Landschaft immer strukturärmer wird. Schreiadler brauchen artenreiches Grünland für die Nahrungssuche, und davon gibt es immer weniger. Im Artenhilfsprogramm setzen wir uns dafür ein, dass die Schreiadler wieder mehr Nahrung finden können und dass die Brutgebiete sicher sind.“ Gefördert wird das Artenhilfsprogramm vom Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV).

Wilderei gefährdet Zugvögel

Der Schreiadler ist nicht nur in seinen Brutgebieten in Deutschland gefährdet. Das zeigte der Journalist Thomas Krumenacker in seinem Vortrag über die internationale Dimension des Greifvogelschutzes: „Ein riesiges Problem für die Schreiadler ist, dass die Zugvögel auf ihrem Weg über den Nahen Osten nach Afrika massenhaft gewildert werden, vor allem im Libanon. Dagegen können auch wir in Deutschland etwas tun. Das Komitee gegen den Vogelmord hat beim Bundesamt für Naturschutz einen Antrag für ein Schutzprojekt gestellt. Über drei Jahre hinweg wollen wir mit Schülern im Libanon arbeiten, das Bewusstsein für Biodiversität stärken, mit Jägern arbeiten, die Polizei und die Armee schulen. Wenn dafür Unterstützung aus dem Nationalen Artenhilfsprogramm käme, wäre das ein wirksamer Beitrag zum Schutz des Schreiadlers.“

Wiesenweihe und Rotmilan im Fokus

Forschungsprojekt zur Wiesenweihe in Marokko

Dr. Almut Schlaich vom niederländischen Kenniscentrum Akkervogels widmete sich in ihrem Vortrag der Wiesenweihe. Sie erläuterte, warum die Art in der heimischen Agrarlandschaft bedroht ist, berichtete aber auch aus ihrem Forschungsprojekt in Nordafrika. Dort hat sie die Rastgebiete des Zugvogels untersucht. Ihre Ergebnisse fasste sie so zusammen: „Durch Trockenheit und Überbeweidung hat sich die Nahrungssituation in den Rastgebieten in den letzten Jahrzehnten stark verschlechtert. Mit Unterstützung der Deutschen Wildtier Stiftung konnten wir 2024 und 2025 nach Ostmarokko reisen und uns selbst ein Bild machen. Nachdem es im letzten Winter zum ersten Mal seit Jahren wieder geregnet hatte, konnten wir eine leichte Verbesserung feststellen. Es gibt also noch Hoffnung für dieses Rastgebiet.“

Schutzprojekt für den Rotmilan

Mit dem Projekt LIFE EUROKITE sollen Rotmilane in Europa grenzüberschreitend geschützt werden. Dafür werden unter anderem die Todesursachen der Vögel untersucht. Jendrik Windt von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU University) präsentierte beim Wildtier Forum eine erschütternde Erkenntnis aus dem Projekt: Der Mensch ist sehr häufig für den Tod von Rotmilanen verantwortlich – durch Vergiftung, Abschuss, Kollisionen mit Windenergieanlagen oder Verkehrsunfälle. Aber Windt machte auch Mut: „Wir können viel tun, um solche Todesfälle zu verhindern. Das zeigen die Projekte, die durch LIFE EUROKITE ermöglicht werden und die wir an der BOKU untersuchen. Wir wollen herausfinden, welche Maßnahmen zum Schutz des Rotmilans am wichtigsten sind und wie wir sicherstellen können, dass sie weiterhin umgesetzt werden. Und wir wollen weitere effektive Maßnahmen ermitteln.“

Falknerei und Artenschutz

Dr. Dominik Fischer vom Deutschen Falkenorden zeigte, welchen wichtigen Beitrag die Falknerei zum Artenschutz leistet. Der Falkenorden unterstützt zahlreiche Schutzprojekte, zum Beispiel für Wanderfalke, Fischadler oder Steinadler. Fischer betonte die Bedeutung des Netzwerkgedankens für den Artenschutz: „Veranstaltungen wie das Wildtier Forum sind so wichtig, weil sie viele Akteure zusammenbringen und das Netzwerk stärken. Wir haben die gleichen Ziele, und wir gehen von unterschiedlichen Positionen darauf zu. Es ist wichtig, dass wir zusammenarbeiten und gemeinsam die Greifvögel, ihren Lebensraum und die Biodiversität schützen.“

Greifvogelschutz zwischen GAP und WVO

Gemeinwohlprämie für engagierte Landwirte

Mehrere Referenten nahmen die politischen Rahmenbedingungen des Greifvogelschutzes in Deutschland und Europa in den Blick. Dr. Jürgen Metzner vom Deutschen Verband für Landschaftspflege e. V. (DVL) unterstrich die Bedeutung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union und stellte in diesem Zusammenhang einen Vorschlag des DVL vor: Mit einer Gemeinwohlprämie könnten im Rahmen der GAP die öffentlichen Leistungen von Landwirten für den Natur- und Artenschutz fair honoriert werden.

Was hat die EU-Wiederherstellungsverordnung gebracht?

Seit einem Jahr ist die EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (WVO) in Kraft. Welche Chancen bietet sie für den Schutz von Greifvogel- und anderen Tierarten? Diese Frage stellte Stephan Piskol, Seniorreferent für Biodiversitätspolitik beim NABU, in seinem Vortrag. Er formulierte einen eindringlichen Appell: „Wenn wir die Ziele der Verordnung erreichen wollen, braucht es noch mehr Ambitionen. Wir müssen mehr diskutieren, was wir in den letzten Jahren versäumt haben, und das jetzt nachholen. Eine Umfrage des NABU zeigt, dass die Menschen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Natur sehen wollen. Das ist der Handlungsauftrag, den sich die Politik noch mehr vor Augen führen muss.“

Windkraftanlagen in Vogelschutzgebieten

Dr. Matthias Schreiber hat im Auftrag der Deutschen Wildtier Stiftung untersucht, wie stark Greifvogelarten in deutschen Vogelschutzgebieten von Windkraftanlagen betroffen sind. Das Ergebnis: Bei mehr als einem Drittel aller Vogelschutzgebiete stehen die Anlagen direkt auf der Fläche oder so dicht an den Grenzen, dass die Vögel erheblich beeinträchtigt werden. „Die künftige Entwicklung wird stark davon abhängen, ob Akteure wie die Naturschutzverbände Schutzmaßnahmen bei den Behörden durchsetzen können. Wenn Appelle nicht reichen, wird man in geeigneten Fällen eine Klage führen müssen. Die Aussichten dafür halte ich für sehr günstig“, sagte Schreiber.

Artenschutz braucht Spaß, Mut und Zusammenarbeit

Erfolgsfaktoren für den Greifvogelschutz

In der abschließenden Podiumsdiskussion tauschten sich Dr. Elke Bruns vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende, Prof. Dr. Nina Farwig von der Philipps-Universität Marburg, Jörg-Andreas Krüger vom NABU-Bundesverband, der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner und Dr. Jürgen Metzner vom DVL über konkrete Lösungsansätze aus. Sie waren sich einig: Für erfolgreichen Greifvogelschutz ist die Wiederherstellung geeigneter Lebensräume genauso wichtig wie gezielte Maßnahmen zur Vermeidung von Greifvogelverlusten beim Ausbau der Windenergie. Mit Blick auf die EU-Wiederherstellungsverordnung sei es entscheidend, Landwirten und Waldeigentümern wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen und sie stärker als bisher für Natur- und Artenschutz zu begeistern. Denn Artenschutz ist erfolgreich, wenn er Spaß macht.

Zwei weitere wichtige Erfolgsfaktoren nannte Prof. Dr. Klaus Hackländer in seinem Schlusswort zum Wildtier Forum – den Mut zum Handeln und den Willen zur Zusammenarbeit. Er sagte: „Eines wurde heute besonders deutlich: Wir stehen vor einem grundlegenden Dilemma im Naturschutz. Einerseits brauchen wir solide wissenschaftliche Grundlagen, um Arten und ihre Ansprüche zu verstehen. Andererseits müssen wir gleichzeitig handeln – wir können nicht warten, bis alles erforscht ist. Wir müssen den Mut haben, Maßnahmen zu ergreifen, die vielleicht nicht perfekt sind, aber Fortschritte ermöglichen. Suchen wir also nicht nach Unterschieden oder Schuldigen, sondern nach Gemeinsamkeiten. Schmieden wir Allianzen – eine Allianz der Willigen – für den Schutz der Greifvögel und der Artenvielfalt insgesamt.“

Dank an die Sponsoren

Das 9. Wildtier Forum Berlin wurde unterstützt von der M.M.Warburg & CO Bank und dem Deutschen Falkenorden. Den Sponsoren gilt unser herzlicher Dank.

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