Wie wildtierfreundlich ist die Hamburger HafenCity?
In dem modernen Quartier steckt Potenzial – wenn Stadtplanung und Artenvielfalt zusammengedacht werden.

Seit einem Jahr hat die Deutsche Wildtier Stiftung ihren Sitz in der Hamburger HafenCity, einem Stadtteil, der sich auf den ersten Blick durch viel Beton und moderne Architektur auszeichnet. Unser Artenschützer Manuel Hensen hat das Quartier unter die Lupe genommen und ist der Frage nachgegangen: Wie wildtierfreundlich kann unsere Nachbarschaft sein?
In der HafenCity im Herzen Hamburgs reihen sich Hochglanz-Neubauten aneinander, großzügige Grünflächen sind rar. Ob sich Wildtiere dort trotzdem wohlfühlen können? „Grundsätzlich ja“, sagt Manuel Hensen, Leiter unseres Wildbienenteams. „Viele Tiere kommen mit dem Stadtleben gut zurecht – wenn sie geeignete Lebensräume finden. Wildbienen, Tagfalter, Mauersegler oder Sperlinge brauchen nicht zwangsläufig Wildnis, sondern die richtigen Strukturen und Pflanzen, die ihnen Nahrung bieten.“
Bienen nisten zwischen Gewegplatten
Passende Strukturen können zum Beispiel die Fugen zwischen Pflastersteinen und Gehwegplatten sein. „Wenn die Fugen schön breit angelegt und mit Sand befüllt sind, können Wildbienen und andere Insekten darin nisten“, sagt Hensen. In anderen Teilen der Stadt sieht man das häufig: kleine Löcher und winzige aufgehäufte Sandhügel – das sind die Eingänge zu den Niströhren. Im Juni ist unter anderem der Bienenwolf (Philanthus triangulum) aktiv, eine Grabwespenart. Seine Nester erkennt man an den elliptischen Sandhäufchen. In der HafenCity sind sie bislang ein seltener Anblick. Denn die Fugen zwischen den Gehwegplatten sind oft schmal, damit Pflanzen nicht hindurchwachsen können. Dadurch haben es auch die kleinen Bodenbewohner schwer.
Insektenfreundlich und schön? Ja, das geht!
Auch die Flächen neben den gepflasterten Gehwegen haben Potenzial: „Grünstreifen und kleine Beete lassen sich mit wenig Aufwand und der richtigen Pflege in üppig blühende Insektenparadiese verwandeln“, so Hensen. Er empfiehlt, heimische Pflanzen zu wählen, die gut mit Trockenheit zurechtkommen, zum Beispiel den Natternkopf (Echium vulgare). Die blau blühende Pflanzenart bietet reichlich Nahrung für Insekten – und davon profitieren auch Vögel, die sich von ihnen ernähren. „Der Natternkopf sieht außerdem toll aus, genau wie viele weitere insektenfreundliche Pflanzen. Ästhetik und Ökologie müssen sich nicht ausschließen. In der HafenCity wollen wir zeitnah Baumscheiben bepflanzen und damit zumindest punktuell für Blühinseln sorgen.“
Fahrgastunterstände zu begrünen ist eine weitere effektive Maßnahme, um den Insekten Nahrungsinseln im stark verdichteten Umfeld anzubieten. Im Hamburger Stadtgebiet hat die Deutsche Wildtier Stiftung in Zusammenarbeit mit der Wall GmbH bereits sieben Wartehäuschen an Bushaltestellen wildbienenfreundlich umgestaltet – unter anderem an der Station „HafenCity Universität“ nahe dem Lohsepark. Hinzu kommen neun Umfelder von S- und U-Bahn-Haltestellen, die wir gemeinsam mit dem Hamburger Verkehrsverbund (hvv) für Wildbienen und andere Insekten aufgewertet haben.
Hausdächer und Fassaden haben Potenzial
Große Dächer eignen sich genauso für eine Bepflanzung. Sie bieten verschiedene Vorteile: „Begrünte Hausdächer speichern Regenwasser, wirken temperaturausgleichend und schaffen wichtige Rückzugsräume für Insekten. In der HafenCity gibt es nur Flachdächer – da sollte eigentlich jedes Gebäude begrünt sein“, sagt Hensen.
„Auch vertikale Flächen können und sollten wildtierfreundlich gestaltet werden – gerade in einem Stadtteil wie der HafenCity mit hohen Gebäuden und großen Fensterfronten.“ Die Deutsche Wildtier Stiftung hat alle Fenster ihrer Büros und der Botschaft der Wildtiere mit einem speziellen Muster beklebt, um Vogelschlag zu verhindern. „Es sind kleine Punkte auf den Fensterscheiben, die beim Hinausschauen kaum auffallen. Den Vögeln, die außen vorbeifliegen und die Reflexion der Punkte im Licht sehen, retten sie aber das Leben“, so Hensen. Über den Fenstern der Stiftungsbüros hängen außerdem Nistkästen für Spatzen und Mauersegler sowie Fledermausquartiere. Die ersten Bewohner sind schon eingezogen. Die Nachfrage ist also da, und Maßnahmen werden von den Tieren gut angenommen. Um auch in der Nachbarschaft noch mehr zu bewirken, sind wir darum im ständigen konstruktiven Austausch mit der HafenCity Hamburg GmbH. Wir wünschen uns, dass künftig auch andere Akteure in der HafenCity und vor allem die Planer des Quartiers Wildtiere mitbedenken. Es wird hier ja noch viel gebaut.